Preisträgerfilme 2016
Grand Prix Graz
Bei meinen Expeditionen habe ich Situationen erlebt, die mich in jene Tierwelt versetzt haben, wo es um das nackte Überleben geht. Wäre mir dies nicht gelungen, hätte ich meine Seele oder mein Herz verkauft, nur um leben zu können… Doch hier handelt es sich nicht um Menschen, sondern um Bergaffen, denen es gelungen ist, sich ihr eigenes Shangri-La zu schaffen: einen geschützten Ort, wo Friede und Ruhe herrschen. Diese Affen überleben in der Bergwelt, indem sie auf natürliche und harmonische Weise ihr soziales Netzwerk aus Zärtlichkeit, Schönheit, aber auch Grausamkeit, aber immer mit Empathie nützen. Sie sind ein Beispiel für uns alle, für die das „Zusammenleben“ so wichtig ist. Diese Bildgeschichte ist ein kleines Juwel. Deshalb geht der „Grand Prix Graz 2016“ an das Beste, was man im Naturfilm machen kann.
Kamera Alpin Austria
Der mit der „Kamera Alpin Austria“ ausgezeichnete Film hat seinen Gestaltern beim Drehen wohl ebenso viel Freude bereitet wie der Jury beim Zusehen. Seine hochwertige und kreative Kameraführung transportiert das, was den Film prägt: Landschaftliche und kulturelle Originalität, sowie eine feine, selbstironische Freude am Unerwarteten im Alpinismus. Der Film ist ein feinsinniges Statement wider den Zwang zur Superleistung: Es braucht nicht immer Achttausender, Höchstschwierigkeiten, verwehte Hochlager und angefrorene Zehen, um sich selber ganz intensiv zu spüren. Manchmal reicht dazu auch exzessiver Schneefall, der sich nicht an Reise- und Drehpläne halten will. Wir gratulieren den Gestaltern zu einer Reise auf den Balkan, dorthin, wo die Berge noch wild sind. Wir wären liebend gern selber dabei gewesen.
Kamera Alpin in Gold
Mit dem Preisträgerfilm der Kategorie „Natur und Umwelt“ wird deutlich, dass allein schon die Auswahl der Protagonisten ein entscheidender Teil der Gestaltung sein kann. In vielen Tierfilmen sind die Portraitierten gleichzeitig auch die Könige der Savanne - seien es nun Elefanten oder Löwen. Dem normalen Tier-Volk bleiben fast immer nur die Statisten- und Opfer-Rollen. Diesmal aber bekommen die tierischen Statisten ihre lang vermisste Hauptrolle. Der Verdacht ist wohl nicht unbegründet, es könnte sich dabei auch um einen Akt sozialer Gerechtigkeit handeln — in der Savanne und im Tierfilm. Meisterliche Kameratechnik und Montage und gelegentliche Animationen resultieren in 50 Minuten Freude am Beobachten.
Wenn wir bei diesem Film schmunzeln, dann liegt dies nicht nur am originellen Aussehen der Hauptdarsteller, sondern auch an der erzählerischen Haltung der Gestalter. Humorvoll und doch voller Respekt umkurven sie ganz selbstverständlich die Fallgruben der Tierfilmerei: Überdramatisierung, Aneinanderreihen allzu wuchtiger Bilder, und die Vermenschlichung von tierischem Verhalten.
Die Eröffnungssequenz des Filmes schließt nahtlos an dokumentarische Arbeiten an, die versuchen, sich dem Phänomen „Basejumping“ zu nähern. Die Bilder eines Fluges aus der in Sportfilmen oftmals einfallslos benutzten GoPro Kamera stellen hier sofort Intimität her und zwingen den Betrachter in die Perspektive der Freunde des Springers – und ihrer Reaktion auf die Katastrophe, die folgt. Nach dieser dramatischen Eröffnung entfaltet sich jedoch ein Film der leisen Töne, der im Gegensatz zu vielen Sportfilmen, keiner dramatischen musikalischen Untermalung bedarf, um seine Geschichte zu erzählen. Je näher die Freunde des Verstorbenen ihrem Ziel kommen, die Asche des Mannes bei einem letzten Basejump dem Wind zu übergeben, desto stärker werden Angst und Unsicherheit vor dem Sprung spürbar. Ein herannahender Sturm setzt das Vorhaben zusätzlich unter Druck: Was wiegt schwerer? Der Adrenalinschub vor dem vielleicht letzten Sprung, oder die Angst vor dem Tod? Gedreht vor der beeindruckenden Kulisse des Mount Katthammaren in Norwegen, überzeugt „Last Base“ durch die Konzentration auf die Figuren und ihre folgenschweren Entscheidungen.
„Hombi“ ist auf den ersten Blick ein klassisch erzählter Porträtfilm. Die Schauplätze aus Ruedi Hombergers alias „Hombis“ Leben werden in kurzen Filmausschnitten lebendig und gemeinsam mit dem Filmemacher begibt er sich an Orte, an denen er groß wurde. Eine Zeitreise im doppelten Sinne beginnt. Aber je weiter der Film voranschreitet, desto stärker wird das Gefühl, als wolle der Regisseur mit der Kamera die Würde dieses Menschen aufspüren. Und das macht den Film so besonders: Hinter der linear erzählten Geschichte verbirgt sich das sensible Porträt eines stets neugierigen Menschen, der sich auch durch das Alter keine Grenzen setzen lassen möchte. In der letzten Sequenz des Filmes, einem Gletscherflug mit Start und Landung, wird dieses Grundthema schließlich in Bilder gefasst: Ein Gefühl der Neugier und der Freiheit macht sich hier breit, das uns weit über die Grenzen des Filmes hinaus begleitet.
Der Preisträgerfilm der Kategorie „Menschen und Kulturen“ verknüpft die Themen Reise, Berge, Natur sowie die kulturelle Identität der dort lebenden Menschen zu einem umfassenden Gesamterlebnis. Seine Gestalter erzählen nicht distanziert neutral, wie es etwa Journalisten tun würden. Sie bekennen sich zu ihrer Identität als Bergsteiger, und sie kommen als Besucher, die Kontakt finden und Empathie austauschen wollen. Daraus wurde ein Expeditionsfilm in seinem allerbesten Sinn. Kameraführung und Tongestaltung und Montage sind nicht auf den ersten Blick zu erkennen, kein filmisches Mittel drängt sich in den Vordergrund und darin liegt ihre Meisterschaft: Alles ordnet sich der Gesamtwirkung unter, lässt Freiheit zur eigenen Wahrnehmung, führt, ohne zu entmündigen. Der Film begleitet uns in ein Land und zu Menschen, denen wir bislang vor allem in den Stereotypen der Kriegsberichterstattung und der TV-Nachrichten begegneten. Dieser Film aber bringt uns den Menschen wirklich näher. Mit ihnen träumen wir von einem gelingenden Leben mit seinen kleinen Freuden. Und mit ihnen erleben wir die Widrigkeiten, die diesem Leben entgegen stehen - ein Dokumentarfilm auf dem Gipfel seiner Kunst.